Notes (Persönliches)

Morgan: „First and Last of the Real Sports Cars“

Die in der Pickersleigh Road in Malvern Link beheimatete Morgan Motor Company (MMC) zählt zu den ganz wenigen Automobilherstellern in England, die bis heute ihre Unabhängigkeit bewahren konnten1. Unverändert befindet sie sich im Besitz ihrer Gründerfamilie, und noch immer werden Automobile gebaut, die in Stil und Bauweise auf die 1930er Jahre zurückgehen.

Bis 1936 allerdings rollten die Produkte der 1910 gegründeten Morgan Motor Company ausschließlich auf drei Rädern. Henry Frederick Stanley („HFS“) Morgan, Ingenieur und Sohn eines automobilbegeisterten Pfarrers, testete schon das erste Fahrzeug, den „Runabout“, vor seiner Produktionsaufnahme im sportlichen Wettbewerb und begründete damit die Morgan-Tradition im Rennsport. Die 1909 konstruierte Vorderachse der Threewheeler-Modelle mit der seinerzeit in England hoch innovativen Einzelradaufhängung hat sich solchermaßen bewährt, dass sie bis heute in den 1936 erstmals eingeführten vierrädrigen Morgans verwendet wird. Die Produktion der Dreiräder wurde übrigens erst 1952 eingestellt – mit dem wahrscheinlich unvermeidbaren Ergebnis, dass ein englischer Enthusiast 1979 mit dem Bau einer vorbildgetreuen Replika begann, die mit einem Moto-Guzzi-Motor eine halsbrecherische Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h zu erreichen vermag.

Abgesehen von dem polarisierenden und hinter den kommerziellen Erwartungen zurückgebliebenen Modell Aero 8 geht die aktuelle Morgan-Modellpalette auf den 1936 vorgestellten Morgan 4/4 zurück. Zwar hatte HFS bereits 1911 ein erstes vierrädriges Vehikel fast fertig konstruiert, dem er den passenden Namen „Quadricycle“ gegeben hatte – motiviert von dem verdrießlichen Umstand, dass die Dreiräder von einigen Trial-Wettbewerben ausgeschlossen waren. Angesichts der guten Nachfrage nach den Dreirädern wurde das Projekt eines Fahrzeugs mit vier Rädern jedoch nicht vor 1929 ernsthaft in Angriff genommen.

Wieder setzte HFS auf ein optimales Leistungsgewicht. Den wenig mehr als 700 Kilogramm wiegenden 4/4 gab es zunächst ausschließlich als offenen Zweisitzer und in drei Standardfarben: British Racing Green, Schwarz oder Blau mit schwarzen Kotflügeln. Gegen Aufpreis konnten die Kunden jede gewünschte Lackierung bestellen. Bald schon folgte dem Zweisitzer, von dem im Jahr 1939 auch eine kompressor-geladene Version für Peter Morgan, den Sohn von HFS, zu Sportzwecken gebaut wurde, ein Viersitzer. Er entstand auf dem gleichen Fahrgestell; der zusätzliche Platz wurde durch die Streichung von einem Reserverad gewonnen. In den wenigen Jahren bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und der folgenden Produktionsunterbrechung wurden immerhin 883 Exemplare des 4/4 gebaut, von denen die meisten (667) Zweisitzer waren.

Im März 1946 konnte die Produktion wieder aufgenommen werden. Ende 1950 folgte die Einführung des Plus 4, einer Variante mit deutlich stärkerem Motor und einigen Modifi-kationen an der Karosserie, der ab 1954 die Modelle mit der noch heute üblichen Frontpartie mit in die Kotflügel integrierten Scheinwerfern folgten.

Einen Riesenschritt markierte dann die Einführung des Plus 8 im Jahr 1968. Er verdankte seine Entstehung wie so viele Neuerungen bei Morgan dem Umstand, dass ein Teilelieferant seine Zulieferungen beendete und nach mindestens gleichwertigem Ersatz gesucht werden musste. Diesmal war es der Vierzylindermotor des Plus 4, der von Triumph zugekauft wurde und der nicht mehr zur Verfügung stand. Durch glückliche Umstände ergab es sich, dass Morgan Zugang zu einem sehr kompakten und leichten V8-Aluminium-Triebwerk erhielt, das von Buick entwickelt worden war und von Rover gebaut wurde. Damit begann eine Erfolgsgeschichte, die erst 36 Jahre und rund 6000 gebaute Exemplare später enden sollte – weil Rover die Produktion des Motors einstellte und Morgan den Plus 8 durch einen „Roadster“ mit einem von Ford zugelieferten V6-Aggregat ablöste.

In Deutschland gilt der Plus 8 vielen als der Morgan schlechthin. Kein anderer Morgan wird so durch seinen Motor und sein Leistungsgewicht definiert wie der Plus 8; er galt sofort nach Erscheinen der ersten Testberichte in Deutschland aufgrund seiner überragenden Elastizitätswerte als Porsche-Schreck. Die britische Fachzeitschrift „Autocar“ testete den Plus 8 mit 3,9-Liter-Motor (später folgten 4,0- und 4,6-Liter-Triebwerke) im Mai 1991 und konstatierte: „Porsche 911 Turbo-Fahrer, vergesst es, denn innerhalb normaler Geschwindigkeiten (also bis 130 km/h) werdet ihr den Morgan nicht einholen.“ Zwar ist allen Plus 8 die glänzende Elastizität und der charakteristische Auspuffklang2   eigen, und immer steht Leistung im Überfluss bereit. Doch das alleine macht den Reiz des antik wirkenden Wagens noch lange nicht aus. Es ist das Fahren eines handgefertigten Einzelstücks, eines authentischen Automobils, das die Zugeständnisse an die Moderne auf ein absolut unvermeidbares Minimum reduziert.

Das heißt nun freilich nicht, dass die Morgan Motor Company dem Plus 8 keine sorgfältige Modellpflege hätte angedeihen lassen. Im Gegenteil, die Liste der Verbesserungen ist lang; sie enthält unter anderem so wichtige Änderungen wie:

  • 1970 Ersatz des rostanfälligen Stahlblechbodens durch einen Holzboden;
  • 1971 Aufbau eines Schaumgummiwulst auf die Armazurenbrettoberkante;
  • 1973 Ersatz der Umluft- durch eine Frischluftheizung;
  • 1973 Spur- und Karosserieverbreiterung (einschließlich Kotflügel und Trittbretter, eine unter Puristen heftig umstrittene Maßnahme);
  • 1976 Einführung des von Rover stammenden Fünfganggetriebes und (erneutes) Auseinanderrücken der Getriebe- und Rahmenlängsträger;
  • 1977 H4-Scheinwerfer serienmäßig;
  • 1981 Einführung neuer Stromberg-Vergaser mit automatischer Kaltstartvorrichtung; Wegfall des Bremskraftverstärkers;
  • 1983 Einführung eines neuen V8-Triebwerks mit Kraftstoffeinspritzung gegen Aufpreis; Einführung der Zahnstangenlenkung gegen Aufpreis (Serienausstattung ab 1986; wie so oft, wurde auch diese Neuentwicklung wurde veranlasst von der Befürchtung, dass die Firma Cam Gears, die Morgan bis dahin mit Lenkgetrieben versorgt hatte, ihren Betrieb einstellen würde);
  • 1986 Einführung der Vollimprägnierung des Eschenholz-Karosserierahmens im Cuprinolbad; Rahmen pulverbeschichtet; Lackierung der Karosserieteile vor dem Zusammenbau; Ersatz der Stahlblech-Kraftstofftankhalterungen durch ein massives Holzbrett;
  • 1989 Batterie-Schnelltrennschalter zwischen den Sitzen angebracht;
  • 1991 Hinterachse erstmals serienmäßig mit Teleskopstoßdämpfern bestückt;
  • 1993 Speichenräder auch für den Plus 8 als Ausstattungsoption (1968 bis 1993 waren Aluminiumräder Standard);
  • 1994 Einführung von Lockheed-Scheibenbremsen
    mit Vier-Kolben-Sätteln;
  • 1997 Vollaluminiumkarosserie (auf Eschenholzrahmen) serienmäßig; Cockpitvergrößerung und verlängerte Sitzschienen ermöglichen erstmals den (optionalen) Einbau von zwei Airbags.

Zeitweise betrug die Lieferzeit für ein Neufahrzeug mehr als sieben Jahre. Doch die Zeit des robusten, aber in die Jahre gekommenen Stoßstangen-V8 von Rover ging 2003/2004 zu Ende, weil er die immer strenger werdenden Abgasvorschriften nicht mehr erfüllen konnte. Der Plus 8 aber bleibt ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sich eine Konzeption in jahrelanger Modellpflege verfeinern lässt, ohne dass sie darüber ihren Charakter verliert.

 

(1)Quelle: J. Wood (2005): Morgan - Leistung und Tradition. Königswinter: Heel-Verlag. Vgl. auch: J. Worall, L. Turner (1992; 2003): Das Original: Morgan. Königswinter: Heel-Verlag; und P. Miller (2004): Morgan Three-Wheeler: The Complete Story. Ramsbury, Marlborough: The Crowood Press.

(2)Source: J. Meyer-Brenkhof: My life with Morgan cars 1972-2002.